Jobcrafting statt Karriereleiter: Sorina Seitz über Tiefe, Mut und Selbstgestaltung

„Mir geht es nicht darum, höher zu steigen, sondern tiefer zu wirken.“
Mit diesem Satz bringt Sorina Seitz auf den Punkt, worum es bei Jobcrafting in der zweiten Berufshälfte geht: den eigenen Beruf so zu gestalten, dass er Sinn stiftet, Entwicklung ermöglicht und neue Energie freisetzt.

Sorina ist promovierte Ingenieurin für Werkstoffwissenschaft und erfahrene Teamleiterin beim DAX Konzern MTU Aero Engines. Sie hat ihre zweite Karriere nicht mit einen radikalen Bruch begonnen, sondern indem sie ihr bestehendes Arbeitsumfeld Schritt für Schritt umgestaltet hat. Dieses bewusste Formen oder „Craften“, zieht sich wie ein roter Faden durch ihre berufliche und persönliche Entwicklung nach 50.

Unzufriedenheit als Wendepunkt – und der erste Schritt ins Jobcrafting

Als Sorina mit 50 ins Coaching kam, merkte sie, dass ihre jüngste berufliche Entscheidung nicht die richtige gewesen war. Sie hatte eine Position angenommen, die auf den ersten Blick passend erschien: vertrauter Vorgesetzter, bekanntes Umfeld. Doch schon bald zeigte sich: Die Rolle war zu eng und bot zu wenig Entwicklungsspielraum. Statt in dieser Sackgasse zu verharren, begann sie, ihr Arbeitsleben von innen heraus neu zu gestalten.

Ihr erster Schritt: Yoga. Sie machte eine fundierte Ausbildung, bot Kurse für Kolleg:innen an und wurde in der Coronazeit mit ihren Online-Sessions zu einer wichtigen Stütze. Parallel baute sie ihr Mentoring-Engagement aus und ergänzte es bald durch eine Coaching-Ausbildung.

Was hier sichtbar wird: Encore Career muss kein Ausstieg sein. Sie beginnt oft in kleinen Schritten, indem man das Bestehende erweitert und mit Sinn füllt.

Vom Teamleiterinnen-Job zur Mentorin, Coachin, Förderin

Sorina hat ein hohe Leistungsorientierung, doch die setzt sie heute anders ein. Sie will „am Dahinter“ arbeiten, wie sie sagt: Menschen nicht nur fachlich, sondern in ihrem Wachstum begleiten. So ging sie in den Vorstand der MTU-Studienstiftung, förderte junge Frauen in MINT-Fächern, brachte sich als Trainerin in neue Lernformate ein.

Ihre beiden Welten – Naturwissenschaft und Coaching – verbindet sie durch eine gemeinsame Haltung: „Als Werkstoffexpertin interessiert mich die Struktur des Materials, im Coaching die der Menschen. Mir geht es immer darum zu erforschen, was unter der Oberfläche liegt.“

Mut zur Pause und die Kraft des Sabbaticals

Besonders beeindruckend ist Sorinas Schritt mit Mitte 50: Sie nimmt ein Sabbatical und verwirklicht zwei Lebensträume: den Jakobsweg gehen, die Nationalparks in den USA erkunden und dabei Ängste überwinden und Grenzen verschieben.

„Ich habe jetzt eine stärkere Entschlossenheit, Nein zu sagen und Grenzen zu setzen“, beschreibt sie. Auch hier zeigt sich Jobcrafting: Sie formt ihr Leben, indem sie sich Freiräume nimmt, Erfahrungen integriert und mit neuer Energie in den Job zurückkehrt.

Stärkenorientierung als nächster Baustein

Als passionierte „Learnerin“ hat Sorina das Sabbatical natürlich auch zur Ausbildung genutzt und ist jetzt zertifizierte Stärken Coachin. Inzwischen ist ihre Landingpage online, sie hat zahlreiche Coachings durchgeführt und ist begeistert: „Wie schnell man auf den Punkt kommt! Wie wirksam diese Perspektive ist!“

Auch das ist Jobcrafting: die bestehende Rolle mit neuen Kompetenzen anreichern.  In ihrer aktuellen Rolle agiert sie als interne Beraterin für drei Standorte und bringt ihren stärkenorientierten Blick in Materialmanagement-Prozesse ein, moderiert Workshops und lädt zum Perspektivwechsel ein.

Jobcrafting als Haltung für die zweite Berufshälfte

Sorinas Überzeugung könnte zum Leitsatz für viele werden: „Ich kreiere mein Leben selbst.“
Genau darin liegt der Kern von Jobcrafting und der Schlüssel zu einer erfüllenden Encore Career.

Wer nicht nur wartet, was das Unternehmen oder das Schicksal bereithält, sondern die eigene Rolle immer wieder neu formt, erlebt Sinn, Wirksamkeit und Selbstbestimmung.

Sorina ist ein Beispiel dafür, dass es nicht um ein „entweder – oder“ geht. Man kann Ingenieurin sein und Yogalehrerin. Führungskraft und Coachin. Wissenschaftlerin und Stärkenförderin.

Ausblick: Jobcrafting als Zukunftsthema

Die Forschung zeigt, dass Jobcrafting Zufriedenheit, Motivation und Leistung steigert. Für Menschen in der zweiten Lebenshälfte geht es vor allem darum, entlang der eigene Stärken und Interessen zu craften um einen hohen Person-Job Fit zu erreichen. Damit eröffnen sich Wege, die eigene Karriere sinnvoll zu verlängern und mit Tiefe zu gestalten.

Sorina Seitz macht es vor. Sie zeigt, wie man mit Mut, Lernfreude und einer klaren inneren Haltung die zweite Berufshälfte nicht als Abstieg erlebt, sondern als Aufstieg – nach innen.

Mehr zum Thema Jobcrafting

Sorina Seitz zeigt eindrücklich, wie Jobcrafting eine zweite Berufshälfte prägen kann. Genau dieses Thema möchte ich in den kommenden Wochen noch vertiefen – gemeinsam mit der Expertin Dr. des. Sophie Schepp. Es wird einen Blogbeitrag und ein Webinar dazu geben.

Wenn Sie neugierig sind, wie Sie selbst Ihr Arbeitsleben stärkenorientiert gestalten und neue Freiräume schaffen können, bleiben Sie dran. Ich werde hier im Blog und auf LinkedIn dazu einladen.

Dr. Karin von Schumann