Was geschieht, wenn eine erfahrene Kinderchirurgin plötzlich keine Lust mehr auf Zeitverträge hat
und die Hypnose entdeckt? Dann entsteht eine zweite Karriere, die ebenso ungewöhnlich wie wirkungsvoll ist.
Claudia Menzel, früher Oberärztin in einer kinderchirurgischen Ambulanz, heute Hypnotherapeutin
in eigener Praxis, ist ein beeindruckendes Beispiel für eine Encore Career, die aus Mut, Neugier und
echter Berufung gewachsen ist.
Wie ich auf Claudia Menzel gestoßen bin
Claudia Menzel ist die Mutter von Lea, einer meiner liebsten Praktikantinnen. Lea hatte mir beiläufig
von der beruflichen Neuorientierung ihrer Mutter erzählt und ich war sofort fasziniert. Was bringt eine
Ärztin mit jahrzehntelanger Erfahrung dazu, mit 60 Jahren noch einmal ganz neu anzufangen?
Dieses Interview war mir eine Herzensangelegenheit.
Der Wendepunkt: Wenn Zeitverträge nicht mehr passen
Claudia Menzel hat ihre ärztliche Laufbahn mit viel Herzblut gelebt. In ihrer Rolle als Oberärztin war sie
nah an den kleinen Patient:innen, immer in Bewegung, immer mit Verantwortung.
Doch mit der Zeit wuchs das Gefühl, dass sich etwas ändern musste. „Ich hatte immer nur Zeitverträge
und das fand ich ab einem gewissen Alter nicht mehr wertschätzend und angemessen“, sagt sie rückblickend. Hinzu kam die Ankündigung, dass ihr Chefarzt bald in Rente gehen würde. Gleichzeitig stellten sich erste leise Zweifel ein: Bin ich diesem fordernden Beruf noch in jeder Hinsicht gewachsen?
Diese Gemengelage wurde zur Ausgangsbasis für eine bewusste Entscheidung:
Claudia Menzel wollte einen neuen Weg einschlagen und tat genau das.
Zufall als Türöffner: Wie die Hypnose in ihr Leben kam
Ihr zweiter Berufsweg begann mit einem eher zufälligen Impuls. Im Kinderschmerzteam wurden Fortbildungen angeboten, darunter auch ein Kurs zur Hypnotherapie. „Was soll ich als eingefleischte Chirurgin denn bei Hypnose?“, fragte sie sich zunächst. Doch sie ließ sich darauf ein und war sofort fasziniert.
„Das war ein Eye-Opener für mich. Die Wirkung ist nicht nur bei der Behandlung wahrnehmbar, man kann auch nachweisen, dass Anästhesien weniger Mittel benötigen. Das hat auch die Schulmedizinerin in mir überzeugt.“
Claudia Menzel bildete sich intensiv weiter, zunächst parallel zum Klinikalltag, und wendete die Methode mit beeindruckendem Erfolg an. Dann kam der nächste auslaufende Zeitvertrag – und sie traf eine Entscheidung: Sie stieg aus und begann ihre zweite Karriere als Hypnotherapeutin.
Der Übergang: Sichtbare Erfolge – und leise innere Konflikte
Der Start verlief vielversprechend. Ihre Arbeit sprach sich herum, sie wurde rasch gefragt, die Resultate überzeugten. Und sie erlaubte sich einen Luxus: nur noch zwei bis drei Tage pro Woche zu arbeiten.
Doch der Rollenwechsel hatte auch Schattenseiten:
Die Anpassung ihres professionellen Selbstbilds war überraschend schwierig.
„Ich bin und bleibe mit Herz und Seele Ärztin, nun eben in einer anderen Rolle und mit zusätzlichen Kompetenzen. Bis ich das so sehen konnte, hat es allerdings eine Weile gedauert.“
Was ihr half, war ihre Grundhaltung: Neugier, Offenheit und die Lust auf Neues. Ihre Erfahrungen in der Praxis, die echte, spürbare Wirksamkeit, gaben ihr die Sicherheit, dass sie auf dem richtigen Weg war.
Und doch musste sie auch lernen, dass nicht jede Therapie wirkt, dass man nicht jedem Kind helfen kann.
Das war sie aus der Chirurgie nicht gewohnt.
Was wir von Claudia Menzel lernen können
Ihr Weg zeigt eindrücklich, was eine Encore Career so besonders macht:
- Veränderung beginnt oft mit einem schleichenden Gefühl „das passt so nicht mehr für mich“.
- Zufälle verdienen Aufmerksamkeit, denn manchmal liegt darin die neue Richtung.
- Die größte Hürde liegt oft nicht im Außen, sondern im eigenen Selbstbild.
- Es lohnt sich, für das einzustehen, was wirkt, auch wenn andere es nicht sofort verstehen.
- Neugier und Wirksamkeit können ein neues berufliches Zuhause schaffen.
Ihr Rat an andere: Trauen Sie sich!
„Man muss sich trauen, etwas Neues zu beginnen, auch wenn man am Anfang denkt, dass es nicht zum bisherigen Bild passt“, sagt Claudia Menzel heute. Sie ist rundum zufrieden mit ihrer Entscheidung und empfindet große Dankbarkeit dafür, dass sie heute Kindern auf eine ganz neue Weise helfen kann.
Claudia Menzel
https://www.ambulanz-hypnose.de/index.php/claudia-menzel
dr.claudia.menzel@t-online.de
Mit Claudia Menzel, Kathrin Kronberg und Paula Bosch stellte ich in meiner Blogserie bisher Frauen vor,
die sehr unterschiedliche Wege gegangen sind. Und doch verbindet sie etwas: eine bewusste Entscheidung für ein neues Kapitel, die Fähigkeit, sich neu zu definieren, und der Mut, das bisherige Selbstbild zu hinterfragen.
Ich bin gespannt, welche Geschichten noch folgen. Und demnächst kommt auch ein Mann zu Wort 😊
Dr. Karin von Schumann