Es gibt Karrierewege, die verlaufen nicht wie auf Schienen, sondern eher wie ein lebendiger Fluss:
mit ruhigen und unruhigen Passagen, mit Windungen, manchmal unterirdisch, manchmal mit voller Kraft.
Kathrin Kronbergs Karriere bei BMW war geprägt von Verantwortung, Sichtbarkeit und Erfolg, doch tief darunter arbeitete längst ein anderes Bedürfnis: nach Sinn, Gestaltung und Selbstbestimmung.
Auch dieses Interview ist Teil meiner Blogserie zu Encore Careers, also biografischen Übergängen
in der Lebensmitte, oft heraus aus etablierten Karrieren, hinein in eine neue, selbstbestimmte Phase.
Ich begleite Führungskräfte genau an diesen Wendepunkten. Kathrin Kronbergs Weg zeigt eindrücklich,
wie vielschichtig und zugleich kraftvoll diese Prozesse sein können.
Zwischen Realismus und Sehnsucht: eine lange Vorbereitung
Dass es so nicht ewig weitergehen konnte, spürte Kathrin Kronberg schon Jahre vor ihrem Abschied bei BMW. „Ich hatte schon früh eine Coachingausbildung gemacht“, erzählt sie. „Aber mein Realitätssinn hat mich davon abgehalten, ernsthaft daran zu glauben, dass man davon leben kann, außer, man ist schon sehr etabliert.“
Sie blieb, als Abteilungsleiterin mit strategischer Verantwortung, in einer Position mit Innovationspotential und einem performanten Führungsteam. „Ich hatte eine tragende Rolle in einem umfassenden Change-Prozess inne, und außerdem einen Mentor, der mir den Rücken stärkte und großes Vertrauen in mich zeigte.“
Auch das Selbstbild hatte Strahlkraft: „Ich bin Führungskraft bei BMW“.
Doch mit der Zeit schwand die Begeisterung: „Lange Zeit kam ich jeden Tag mit strahlend guter Laune ins Büro, voller Lust auf Austausch und Gestaltung. Dann wurde es immer bürokratischer, die politischen Spielchen nahmen überhand, und mir wurde immer klarer, dass noch sehr viele spannende Themen außerhalb von
BMW auf mich warten.“
Als dann auch noch ihr Mentor das Unternehmen verließ, wusste sie, dass der richtige Zeitpunkt für den großen Schritt gekommen war.
Gesundheit als Warnsignal und Coaching als Spiegel
Zwei Kinder, ein anspruchsvoller Job, gesundheitliche Belastungen und ein wachsendes Bedürfnis nach Sinnstiftung machten deutlich: Eine Veränderung war nötig.
Erst im Coaching wurde ihr klar, was den Abschied so schwer machte: nicht nur das Sicherheitsdenken,
sondern auch das Bedürfnis nach Status, das durch die exponierte berufliche Rolle in einem namhaften Unternehmen befriedigt wurde.
„Das war nicht leicht zuzugeben. Und ja, es hat mich ganz schön lange festgehalten.“
Gleichzeitig rückten andere Bedürfnisse in den Vordergrund: Ruhe, Zeit mit der Familie, mehr Selbstbestimmung und eine Tätigkeit mit echter inhaltlicher Identifikation, z. B. ein Buchprojekt
und mehr soziales Engagement. Sie entschied sich für den Ausstieg, zwar noch ohne konkreten Plan,
aber mit dem Gefühl: Jetzt oder nie.
Zwischenstationen: Ausprobieren, verwerfen, wachsen
Danach begann ein Suchprozess, der vieles ermöglichte. Während der Corona-Zeit entstand das liebevoll kuratierte Picknickkorb-Projekt „Isar on the Rocks“, daneben übernahm sie ehrenamtliche Aufgaben als Mentorin und im Fundraising einer Hilfsorganisation, die sie bis heute fortführt. Über ihr Netzwerk kam schließlich das Angebot, die Münchner Niederlassung einer mittelständischen SAP-Beratung zu leiten.
„Das war reizvoll, denn ich kannte sowohl die Kunden- als auch die Beraterperspektive. Außerdem konnte ich eigenverantwortlich einen neuen Geschäftsbereich aufbauen und unternehmerisch tätig sein.“
Dort schätzte sie die Bodenständigkeit und den kollegialen und vertrauensvollen Umgang, gleichzeitig vermisste sie anfangs die Hochleistungskultur und Professionalität, die sie aus der Konzernwelt kannte.
„Ich habe einige Zeit gebraucht, um mich davon innerlich zu lösen.“
Jetzt: Der Aufbruch in die Selbstständigkeit
Heute, mit 55 Jahren, hat Kathrin Kronberg das Beratungsunternehmen verlassen und die Standortleitung in bestem Einvernehmen abgegeben. Nach einer kurzen Zwischenstation in einem Startup ist der Weg in die Selbstständigkeit bewusst gewählt und getragen von dem Wunsch, ein Höchstmaß an Selbstbestimmtheit zu erleben und etwas Eigenes, Sinnstiftendes zu gestalten.
Mit ihrer Erfahrung aus den verschiedenen Welten möchte sie zukünftig Unternehmen bei der digitalen Transformation begleiten, und aktiviert hierbei gerade wieder ihr Netzwerk, das sie in den vergangenen Jahren aufgebaut hat.
„Und dann ist da noch mein Herzensprojekt, ein Buch zu schreiben – das lässt mich seit dem Coaching nicht mehr los und soll jetzt auch seinen Raum bekommen.“
Heute fühlt sie sich nicht nur finanziell noch besser abgesichert als vor 5 Jahren, sondern hat auch ein anderes Stärkenbewusstsein. „Ich habe wirklich Spaß an Vertrieb und Akquise, das hätte ich früher nie gedacht.
Und ich bin eine sehr gute Netzwerkerin und bringe gerne interessante Menschen zusammen.“
Ihre Gästeliste zum 55. Geburtstag spreche für sich: „So viele unterschiedliche, inspirierende Menschen –
das zeigt mir, wie sehr mein Leben sich geöffnet hat und macht mir Mut für die Selbständigkeit.“
Über das von ihr gegründete Frauennetzwerk Salon der Inspiration bleiben wir in Kontakt und in zwei Wochen treffen wir uns beim Businessfrühstück wieder. Ich sehe sie schon dort: präsent, zugewandt, mit wachem Blick und der Bereitschaft, sich auf Neues einzulassen.
Encore Career: Was wir von Kathrin Kronberg lernen können
- Biografische Übergänge brauchen manchmal Zeit. Mehrere Jahre sind keine Ausnahme
- Der Schritt aus dem Konzern in die Selbständigkeit ist riesig. Zwischenstationen sind keine Umwege, sondern Lernfelder.
- Die eigenen Bedürfnisse zu erkennen dauert. Das gilt besonders nach Phasen hoher Taktung.
- Ein bewusster Abschied zählt. Kathrin selbst sagt, dass sie den Abschied vom Konzern rückblickend besser hätte gestalten wollen. Und das beim Ausstieg aus dem Beratungsunternehmen auch getan hat.
- Netzwerke sind Gold wert. Ihre Chancen nach dem Konzern kamen fast ausschließlich über persönliche Kontakte.
- Manche Stärken zeigen sich erst unterwegs. Wer hätte gedacht, dass Vertrieb so viel Spaß machen könnte?
Kathrin Kronberg
https://www.changewithimpact.de/
kathrin.kronberg@changewithimpact.de