Bekannt – und jetzt? Warum eine Encore Career mehr braucht als einen guten Namen

Ich dachte, die Leute werden schon kommen. Ich war ja sichtbar, präsent, etabliert.“

Diesen Satz sagte mir Paula Bosch, Deutschlands erste Sommelière, in unserem Gespräch und ich habe ihn nicht vergessen. Er steht sinnbildlich für eine Erfahrung, die viele Menschen machen, wenn sie in der zweiten Lebenshälfte einen neuen beruflichen Weg einschlagen:
Die alte Bekanntheit trägt nicht automatisch ins Neue.

Paula Bosch war eine Institution. Bücher, Medienpräsenz, eine große Fangemeinde. Sie war sichtbar.
Und doch wurde ihr nach ihrem Ausstieg aus der Spitzengastronomie plötzlich klar:
Bekanntheit allein reicht nicht, wenn man etwas Neues aufbauen will. Sichtbar zu sein bedeutet nicht, auch anschlussfähig für eine neue Rolle zu sein. Denn Sichtbarkeit ist kein Versprechen auf Zukunft, sondern erzählt von der Vergangenheit. Davon, was wir waren, was wir geleistet haben, in welcher Funktion wir geglänzt haben.

Aber was, wenn wir nicht mehr in dieser Funktion wirken wollen? Wenn wir spüren, da kommt noch was, etwas anders?

Dann braucht es etwas anderes als Bekanntheit. Dann braucht es Positionierung.

Vom Applaus zur Ausrichtung

Viele Menschen, die eine Encore Career starten, sind erfahren, kompetent, klug. Sie haben Karriere gemacht, Verantwortung getragen, Wirkung erzielt. Aber das alles bedeutet noch nicht, dass der Übergang in einen neuen Lebens- und Arbeitsabschnitt nahtlos funktioniert.

Denn wer neu starten will, muss sich neu zeigen.

Nicht als „die mit der beeindruckenden Vergangenheit“, sondern als jemand mit einem aktuellen Anliegen, mit einem klaren Angebot, mit Relevanz für ein neues Gegenüber.
Und genau das ist der Unterschied:

Bekanntheit ist das Echo auf frühere Rollen.
Positionierung ist der bewusste Schritt in eine neue Resonanz.

Drei Fragen, die den Unterschied machen

Ein einfaches, aber wirkungsvolles Modell, das ich in meiner Arbeit gerne nutze, ist das Positionierungsdreieck. Es hilft, Klarheit zu gewinnen, und es verhindert, dass man zu schnell in Aktionismus verfällt („Ich biete jetzt einfach mal Coaching an…“).

Die drei Fragen:

  1. Identität: Wer bin ich heute? Was ist mir wirklich wichtig?
  2. Angebot: Was will ich geben und in welcher Form?
  3. Zielgruppe: Für wen ist das wertvoll? Mit wem fühle ich mich verbunden?

Gerade in der Lebensmitte verändert sich die innere Landkarte. Werte verschieben sich. Erfahrungen rufen nach Integration. Die Energie folgt anderen Linien. Und genau deshalb lohnt es sich, mit etwas Abstand neu zu fragen: Wer bin ich jenseits meiner alten Jobbeschreibung?

Identität: Keine neue Rolle, sondern ein neuer Blick

Viele denken beim Thema „Neupositionierung“ an ein Rebranding. Ein neues Etikett, eine neue Website, ein cooler Claim.

Aber wahre Positionierung beginnt innen. Sie fragt nicht: „Wie wirke ich?“, sondern: „Was ist mir wirklich wichtig geworden? Was will ich bewirken – und mit wem?“

Diese Fragen sind kein Luxus. Sie sind der Kompass.

Angebot: Was wirklich Resonanz erzeugt

Ist die Identität geklärt, ergibt sich das Angebot oft fast von selbst. Meist liegt es nicht in einer spektakulären Neuentwicklung, sondern in einer klugen Verdichtung von Erfahrung, Haltung und Sinn.

Eine gute Frage hier ist: Wobei merke ich, dass mir das Herz aufgeht?  
Was resoniert bei anderen, wenn ich darüber spreche?

Encore-Angebote entstehen oft da, wo die eigene Lebensgeschichte auf ein echtes Bedürfnis in der Welt trifft. Das macht sie so kraftvoll.

Zielgruppe: Wen will ich wirklich erreichen?

Manche bleiben im alten Netzwerk und finden dort neue Rollen. Andere entdecken ganz neue Kontexte und Menschen. Wichtig ist: Die Zielgruppe sollte nicht nur fachlich, sondern auch emotional passen.

Mit wem fühle ich mich auf einer Wellenlänge? Wer versteht mich? Wem fühle ich mich verbunden?

Denn nichts ist frustrierender als ein Encore-Angebot, das ins Leere läuft, weil es niemanden berührt.

Fazit: Ein neuer Blick für alte Stärken

Paula Bosch hat mich mit ihrem Satz berührt, weil er zeigt, wie verletzlich und gleichzeitig mutig dieser Weg ist. Die Bühne zu wechseln, heißt nicht, den Applaus der Vergangenheit zu vergessen. Aber es heißt, sich noch einmal neu auszurichten. Klarer, bewusster, oft reduzierter.

Bekanntheit ist Rückspiegel. Positionierung ist Windschutzscheibe.

Oder etwas weniger metaphorisch:
Wer etwas Neues bewegen will, muss den Menschen zeigen, wofür er oder sie heute steht, nicht nur, woher man kommt.

Und das ist das eigentliche Geschenk einer Encore Career:
Dass man nicht mehr gefallen muss. Sondern wirken darf.